Die Welt unter Anspannung
Was für ein Jahr! Die Herausforderungen, vor denen die Welt steht, sind zahlreicher geworden. Der gesamte Globus steht unter höchster Anspannung; die Sorge vor unkontrollierten Entladungen beschäftigt die Menschen. Wir müssen die Krisen hier nicht ausdeklinieren, sie sind hinlänglich bekannt. Wo stehen wir heute, warum scheinen die Kapitalmärkte in einer sorgenfreien Welt zu leben, welche Perspektiven auf das vor uns liegende Jahr sind möglich?
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Noch während wir im Sommer den Begriff "Soft Landing" als Überschrift für unseren Halbjahresbericht wählten, zogen sich bereits düstere Wolken über dem amerikanischen Konjunkturhimmel zusammen. Daraus erwuchs die Erwartung, dass die FED nun sehr rasch die erste Leitzinssenkung seit 2020 vornehmen würde. Diametral dazu war die japanische Notenbank unterwegs, denn sie hob ihren Zins zum zweiten Mal an. Der nunmehr vergrößerte Zinsabstand erwischte die Währungsakteure auf dem falschen Fuß und der Yen gegen Dollar stieg in nur vier Wochen um 15 %. Die Profis lösten entschlossen ihre kreditfinanzierten Arbitragepositionen auf; damit war das Baisse-Szenario perfekt. Am schlimmsten erwischte es japanische Aktien, die in nur drei Tagen durchschnittlich 20 % verloren; amerikanische und europäische Aktien fielen um ca. 10 %. Gold als sicherer Hafen markierte neue Höchstkurse. Urplötzlich waren die vergessen geglaubten Ängste vor einer Rezession wieder präsent. Die US-Notenbank verschloss sich ihnen nicht und sendete mit einer ersten Zinssenkung um gleich 0,5 %-Punkte das deutliche Signal, eine drohende Wachstumsschwäche nicht zu übersehen. Auch die japanische Notenbank ruderte beeindruckt von den ausgelösten Turbulenzen zurück. Im Ergebnis war der Spuk nach wenigen Wochen wieder vorbei. Schon Ende September wurden neue Höchstkurse im S&P 500 markiert – und auf dieser Welle reiten die Märkte bis zum Tag der Entstehung dieser Lektüre.
Vom Trump-Trade ...
Prägendes Ereignis im 2. Halbjahr 2024 war das scheinbare Kopf-an-Kopf-Rennen im Präsidentschaftswahlkampf. Trump stand dabei für Deregulierung, fiskalische Impulse und Handelseinschränkungen. Schon Mitte September richteten sich die Märkte auf seine Wiederwahl ein und insbesondere zyklische Werte profitierten von wachstumsfreundlicheren Erwartungen. Schließlich gewannen die Republikaner mit deutlichem Abstand – nicht nur die Wahl, sondern darüber hinaus die Mehrheit in beiden Kammern. Nicht zuletzt die Vorliebe des wiedergewählten Präsidenten für Zölle ließ die Märkte ein Wiedererstarken der Wirtschaft in eigenen Grenzen erhoffen und führte den S&P 500 erstmals in seiner Geschichte über die Marke von 6.000 Punkten.
... profitiert auch der DAX
Sogar der DAX erreichte neue Alltime-Highs, obwohl Deutschland von eben jenen Zöllen erheblich betroffen sein dürfte und schon seit längerer Zeit durch seine ganz persönliche Lethargiekrise laviert. Seit 15 Jahren unbearbeitete Baustellen, hohe Energiepreise, wegbrechende Exportmärkte, die Regierungskrise und nicht zuletzt die fragile Sicherheit unserer Grenzen haben Deutschland in Zukunftsangst und Lähmung versetzt. Der deutsche Aktienmarkt hingegen blieb von alldem nahezu unberührt. Denn zum einen befindet sich die weltweit noch immer ausschlaggebende Region (USA) im Bullenmarkt und zieht andere, wirtschaftlich verflochtene Industrieländer mit. Zum anderen: Der DAX ist nicht Deutschland. Die in ihm repräsentierten Unternehmen erwirtschaften derzeit nur ca. 20 % ihrer Umsätze in ihrem Stammland, hingegen aber ca. 30 % allein in den USA und 10 % in China. Insofern darf auch weiterhin ein eher das Wachstum der Weltwirtschaft widerspiegelndes Marktverhalten für den DAX erwartet werden.
Die Welt unter Anspannung
Gefühlt ist überall Krise, das Reizlevel ist ausgesprochen hoch. Mit über 60 bewaffneten Konflikten zwischen Staaten oder Volksgruppen ist es auf unserer Erde derzeit so unfriedlich wie nie seit dem 2. Weltkrieg. Zum Teil berühren die Konflikte Europa an seinen Flanken und fördern überdies die weiterhin nicht befriedigend gelöste Zuwanderung in unsere Region. Über allem und für alle Menschen rund um den Globus spürbar, vollzieht sich der Klimawandel, dem sich die Menschheit mit konsequenten und kraftvollen Maßnahmen stellen muss. Ausgerechnet in dieser Situation schwächelt Europa an seinen wichtigsten Kontaktstellen zur Außenwelt. Staatschefs aus der übrigen Welt fanden ihre Ansprechpartner bisher in erster Linie im Bundeskanzleramt oder im Élysée-Palast. Auf Frankreichs heißestem Stuhl sitzt jedoch derzeit nahezu handlungsunfähig der sechste Premierminister in Macrons bisher siebenjähriger Amtszeit. Auch Deutschland wird augenblicklich von "lahmen Enten" geführt und spielt in einer Phase, wo geopolitische (Ver)Handlungsfähigkeit so dringend gefragt ist wie nie seit dem Mauerfall, praktisch keine wahrnehmbare außenpolitische Rolle. Darum kommt es jetzt einmal mehr auf Amerika an – und bei diesem Gedanken ist seit dem 6. November nicht jedem wohl. Denn Amerika hat anders gewählt, als es sich viele Menschen in Europa gewünscht hätten. Das kann man bedauern, sollte aber möglichst rasch konstruktive Lösungen finden, wie mit den neuen/alten Verhältnissen umzugehen ist. Anders als seine erste Präsidentschaft tritt Donald Trump seine zweite Amtszeit offenbar sehr vorbereitet und strukturiert an. Darum befürchten viele radikalste Veränderungen, mithin das Schlimmstvorstellbare. Aber während wir das "Schlimmste" erwarten, entsteht genügend Spielraum, in dem sich das Geschehen anders als befürchtet entwickeln kann.
Die Ukraine braucht eine Lösung
Es ist ohne weiteres vorstellbar, dass der Dealmaker und selbsternannte Friedensstifter Donald J. Trump mit disruptiven Ansätzen überraschende Wendungen in den geopolitischen Konflikten herbeizuführen vermag. In diesem Zusammenhang sei an das im Wesentlichen durch Trump forcierte Abraham-Abkommen erinnert, das 2020 scheinbar traditionelle Tabus in der arabisch-israelischen Diplomatie brach und eine neue Ära der Zusammenarbeit einleitete. Selbst nach den Attentaten vom 7. Oktober 2023 erscheint dieses Abkommen zwar politisch herausgefordert, aber gerade in wirtschaftlicher Hinsicht sehr resilient. Ankündigungen oder Drohungen des Incoming President werden maximale Glaubwürdigkeit zugesprochen, was amerikanischen Diplomaten sowohl in der arabischen Welt als auch im Russland-Ukraine-Konflikt eine starke Verhandlungsposition sichert. Insofern darf mit allem gerechnet werden, auch mit einem teuer erkauften Frieden für die Ukraine.
Die Bank of America befragt monatlich ca. 250 Fondsmanager, welches die Risiken mit den größten Auswirkungen auf die Märkte seien. Dabei ist die Gewichtung des Risikos "Geopolitischer Konflikt" von 33 % vor der US-Wahl auf jetzt 10 % zurückgefallen. Die Gespräche zwischen den Noch- und Bald-Regierungschefs sowie den Staatspräsidenten Frankreichs und der Ukraine lassen vermuten, dass sich Trump durchaus des Risikos bewusst ist, überließe man Russland die Ukraine als Einfallstor zum Westen. Auch ein großflächiger Rückzug der USA aus Westeuropa ist – Stand heute – kaum denkbar. "Die Menge jährlich neuer russischer Panzer entspricht zurzeit dem Doppelten dessen, was die fünf größten europäischen Länder überhaupt zusammen im Bestand haben", so Pistorius am 5. Dezember im Bundestag. Sprich: Ohne die Sicherheitsgarantie, welche Amerika seit Dekaden dem europäischen Staatenbund gewährt, würde die Welt schnell eine andere sein. Der US-Sondergesandte Keith Kellogg – wie auch Trump selbst – geht nicht davon aus, dass dieser Krieg auf dem Schlachtfeld gewonnen werden kann. Kellog, anerkannter Veteran und Militär-Stratege, dürfte spätestens unmittelbar nach der Amtseinsetzung Trumps intensiv daran arbeiten, sein Strategiepapier zur Erzwingung einer Verhandlungsbereitschaft der Gegner umzusetzen. Bereits Anfang Januar wird sich Kellog dazu in Europa aufhalten.
Zölle wären kontraproduktiv
Die genannte Fondsmanager-Umfrage zeigt eine weitere Auffälligkeit im Hinblick darauf, wie viele Profis das Risiko für die Weltkonjunktur als hoch erachten, sollte tatsächlich ein ausufernder Zoll-bzw. Handelskrieg eröffnet werden. Rangierte diese Perspektive vor den US-Wahlen noch auf den hinteren Plätzen, wird sie nun – zusammen mit dem Risiko steigender Inflation – am höchsten gewichtet. Letzten Endes zahlen die Zölle immer die Verbraucher. Dabei steigen in aller Regel nicht nur die Importpreise, sondern auch die Preise für Substitute im nationalen Markt. Dies insbesondere dann, wenn im Inland (noch) gar keine ausreichenden Angebotskapazitäten zur Verfügung stehen, wenn importierte Komponenten teurer werden und/oder wenn die (ggf. wenigen) inländischen Anbieter über entsprechende Marktmacht verfügen, um das Preisniveau an das der importierten Güter anzugleichen. Anziehende Inflationserwartungen könnten die US-Notenbank davon abhalten, in rascher Abfolge mit den eingeleiteten Zinssenkungen, von denen wir in 2024 drei gesehen haben, fortzusetzen. Entsprechende Signale hat die FED in ihrer letzten Sitzung im Dezember bereits gesendet. Weil aber die EZB in schnellerer Abfolge senken kann (die konjunkturelle Situation legt dies unmittelbar nahe und die derzeit weiter rückläufige Inflation im Euro-Raum erlaubt es), wäre eine weitere Dollar-Aufwertung keine Überraschung. Seit Anfang Oktober – ein Sieg der Republikaner lag bereits in der Luft – ist der USD bereits um über 7 % gestiegen. Sollte sich diese Entwicklung verstetigen und der USD bald um 15 % gestiegen sein, wäre der Effekt aus dem feindseligen Zoll-Gezeter gleich Null. Denn exakt um diese 15 % will Trump die Einfuhren aus Deutschland (dem größten Handelspartner außerhalb des amerikanischen Kontinents) verteuern. Kämen darüber hinaus auch noch die geplanten US-Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung, könnte das weiteren Aufwertungsdruck auf USD-Renditen und die Währung bedeuten. Wir wollen annehmen, dass Menschen aus Trumps Beraterkreis ihm nahegelegt haben, es an dieser Stelle nicht zu übertreiben. Und so könnte es sein, dass alle verbalen Attacken zu diesem Thema lediglich den Preis für ernst gemeinte Verhandlungen in die Höhe treiben sollen.
Aus diesem Grund könnte sich die EU in Sachen Zoll auch etwas lockerer geben, wie es EZB-Präsidentin Lagarde bereits empfohlen hat. Statt sich dem Reflex von Gegenzöllen hinzugeben, könnten Handlungsoptionen ins Spiel gebracht werden, die wieder den Partnerschaftsgedanken in den Vordergrund rücken. Denn nach allen bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen haben eine internationale Arbeitsteilung im Verbund mit freiem Warenaustausch allen Beteiligten regelmäßig die höchsten Wohlstandseffekte beschert. Europa und Amerika brauchen einander mehr denn je – sowohl als wirtschaftliche wie auch als geostrategische Partner. Angesichts der militärischen Schwäche des Kontinents wäre es also töricht, sich mit den USA in eine tiefere Konfrontation zu verstricken. Wenn wir so optimistisch sein wollen, anzunehmen, dass sich die Beteiligten dieser Situation bewusst sind, dann könnte es unmittelbar nach dem 20. Januar unerwartet schnell zu unerwartet pragmatischen Lösungen kommen.
It´s the economy
Abgesehen davon dürften die Hauptimpulse für die Märkte von der konjunkturellen Entwicklung insbesondere in den USA, in China und in Europa ausgehen, weniger von Inflation und Notenbankpolitik. Denn die Zinsen dürften in einem engen Band um das derzeit erreichte Niveau schwanken. Die Volkswirte sind sich weitgehend einig, dass die Weltwirtschaft in 2025 ähnlich stark wachsen wird wie 2024. Die konjunkturelle Landung in den USA scheint vollzogen zu sein. Die FED hat mit Konsequenz, klarer Kommunikation und entschlossenem Handeln eine im Rückblick perfekte Reaktion auf die überschießende Inflation im Gefolge der Coronapandemie gefunden. In diesem Punkt wurden die überwiegend skeptischen Erwartungen im Markt klar widerlegt, was entscheidend zu der sehr günstigen Kapitalmarktentwicklung in 2024 beigetragen haben dürfte.
Amerika wird seine Dominanz für die Kapitalmärkte wohl weiter ausbauen; nach einem plötzlichen Ende des Bullenmarktes sieht es derzeit nicht aus. Fiskalische Konjunkturimpulse (inflation reduction act) und die Erwartung weiter fallender Zinsen schaffen ein gutes Investitionsklima. Eine hohe Beschäftigungsquote unterstützt den Binnenkonsum. Langfristig überzeugende Fundamentaldaten wie Gewinnwachstum und Eigenkapitalrendite sowie Aktienrückkaufprogramme treffen auf Wachstumstreiber wie virtuelle Welt, Big Data und Künstliche Intelligenz. Hinzu kommt die politische Unterstützung der künftigen Regierung durch zu erwartende Deregulierungen und Steuererleichterungen. Jedoch: Viel Optimismus ist schon eingepreist, und die Positionierung der Anleger ist bereits ausgeprägt. Darum könnte das Aufwärtspotenzial insbesondere für US-Aktien begrenzter sein als zuletzt.
Zweigeteiltes Europa
Während Amerika Innovationen vorantreibt, erfindet Europa immer neue Regulierungen. Es steht sich damit selbst im Weg und wächst derzeit mit weniger als 1/3 der Geschwindigkeit Amerikas. Die vielfach hausgemachten ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen werden in Frankreich und in Deutschland durch politische Fehler verstärkt. Nachdem der französische Präsident im letzten Sommer ohne Not Neuwahlen ausgerufen hat, ist das Land inzwischen politisch nahezu handlungsunfähig. Auch die selbst ernannte "Fortschrittskoalition" in Deutschland hat es nicht vermocht, den vorgezeichneten Abstieg der deutschen Wirtschaft zu wenden, trägt dafür allerdings auch nicht allein die Verantwortung. Der MDAX als Repräsentant des börsennotierten deutschen Mittelstands verlor demzufolge im vergangenen Jahr 8 % an Wert, während Frankreichs Börse seit der Europawahl 10 % eingebüßt hat.
Möglicherweise befinden sich die ursprünglich starken Industrieländer Europas gerade in einer Zäsur, die Teile Südeuropas bereits hinter sich lassen. Denn Zypern, Spanien und Griechenland weisen dynamisches Wachstum auf. Auch der Osten Europas (Polen, Bulgarien, Slowakei, Litauen) entwickelt sich vorteilhaft. Augenscheinlich stehen die klassischen – und zudem stark vom Export abhängigen – Industriestandorte vor der Herausforderung eines tiefgreifenden Strukturwandels. Dieser ist geprägt durch harten Wettbewerb, durch die Abhängigkeit von fernen Absatzmärkten, durch hohe Energie- und Arbeitskosten, unzureichende Infrastruktur, Fachkräftemangel und durch überbordende Bürokratie. Auch eine aus dem Erfolg der letzten Jahrzehnte erwachsene Wohlstandsbehäbigkeit hat erforderliche Anpassungen verhindert. Deutschland hat sich so an die allerletzte Position der OECD-Prognose für 38 Industrieländer manövriert und bildet voraussichtlich – gleichauf mit Frankreich – in den nächsten beiden Jahren das Schlusslicht. Darum sind jetzt Tempo, Vereinfachung, Enttabuisierung und konsequentes Handeln wichtig. Deutschland wird sehr bald eine neue Regierung wählen; ein Neubeginn erscheint möglich.
Einige für Europa positive Impulse sind bereits heute sichtbar: Die zuletzt wieder gestiegenen Reallöhne stärken die Kaufkraft der Verbraucher. Die amerikanischen Wachstumsimpulse sollten auch nach Europa ausstrahlen, denn Amerika ist der wichtigste Handelspartner der EU. Zölle gegen Europa können zu einem guten Teil über den starken USD kompensiert werden. Auch für China stehen stärkere konjunkturstimulierende Maßnahmen im Raum, von denen europäische Unternehmen profitieren könnten. Schließlich wird die EZB so lange die Zinsen senken (können), bis ein Wiederaufleben der wirtschaftlichen Aktivität tatsächlich sichtbar wird.
Bullenmärkte
Tatsächlich schätzen die Analysten für Europa im begonnenen Jahr bereits einen Zuwachs der Unternehmensgewinne um 9 %, ausgehend von plus 1 % in 2024. Dagegen wird amerikanischen Unternehmen ein Zuwachs um 15 % zugetraut, ausgehend von plus 10 % in 2024. Während die Gewinndynamik in Europa also deutlich beschleunigt, könnte sie in Amerika abflachen. Schon in unserem letzten Halbjahresbericht haben wir darauf hingewiesen, dass US-Aktien gemessen an ihrer eigenen Historie wie auch im internationalen Vergleich als teuer erscheinen. Trotzdem wurde der Markt weiter gekauft. In 2024 floss dreimal so viel internationales Kapital in die USA wie nach Europa. Die Kurse stiegen schneller als die Unternehmensgewinne, welche jetzt an der US-Börse mit dem Faktor 24 bezahlt werden. Damit liegt die Bewertung 40 % über dem Durchschnitt seit 1988 und knapp 80 % über dem KGV europäischer Aktien (13,4). Europa dagegen notiert weiterhin ca. 7 % unter seinem langjährigen Mittel.
Ende November übersprang der S&P 500 die 6.000 Punkte-Marke. Das Ereignis lädt ein nachzuschauen, wie der Markt zurückliegend beim Überschreiten von runden 1.000ern performt hat, ungeachtet des diskussionswürdigen Prognosenutzens von Statistiken. Interessant ist es schon, dass seit Juni 1968 (damals überschritt der S&P 500 erstmals 100 Punkte) ausnahmslos nach jeder Überschreitung des nächsten Hunderters – bzw. nachdem die ersten 1.000 Punkte genommen waren, des jeweils nächsten Tausenders – sechs Monate später ein weiteres Plus zu Buche stand, im Durchschnitt über 7 %.
Über Japan hatten wir bereits im vormaligen Bericht geschrieben, dass die Kombination aus technologischem Fortschritt, leistungsfähiger Infrastruktur und wirtschaftlicher Stabilität Investments weiterhin lohnend erscheinen lässt. Japan wird, anders als China, nicht als potenzielle Bedrohung für die USA und ihre Verbündeten angesehen, verfolgt eine pazifistische Außenpolitik und baut starke wirtschaftliche und sicherheitspolitische Bindungen zu anderen regionalen Mächten auf. Dieser Aspekt gewinnt unter der neuen US-Administration noch einmal zusätzlich an Gewicht, denn in einem sich möglicherweise entflammenden Handelskrieg USA - China könnte sich Japan als der profitierende Dritte erweisen.
Unter Bewertungsaspekten erscheint darüber hinaus das Vereinigte Königreich interessant. Lange hat UK unter den Schmerzen des Brexits gelitten, politisch wie wirtschaftlich. Seit 2023 wächst die Insel wieder im EU-Durchschnitt. Ähnlich wie in der Euro-Zone ist die Inflation auf dem Rückzug (derzeit ca. 2,4 %). Der Aktienmarkt spiegelt noch immer die Zurückhaltung internationaler Investoren wider und hat allein in den letzten beiden Jahren gegenüber dem Euro Stoxx 50 einen Performance-Rückstand in Höhe von mehr als 12 %-Punkten eingefahren. Immerhin notieren dort Global Player wie Astra Zeneca, HSBC, Shell oder Unilever. Die technischen Daten kennzeichnen UK als unterbewertet: Das durchschnittliche KGV des MSCI Großbritannien liegt bei lediglich 12, die Dividendenrendite bei 3,9 %. Damit ist die Londoner Börse die billigste unter den großen westlichen Kapitalmärkten der Welt, vielleicht sogar die preiswerteste.
Ausufernde Schulden
Die Staaten der Welt verschulden sich immer mehr. Schuldenmachen wird zu einem Kavaliersdelikt verharmlost. Ohne Rücksicht auf multilaterale Vereinbarungen oder auf künftige Generationen wurden seit der Finanzkrise Schulden über Schulden angehäuft. Die Lernkurve orientiert sich dabei an falschen Vorbildern (siehe Deutschland als erstem Land, dass bereits 2002 die Maastricht-Schranken brach) oder einfach an der Erfahrung, dass höhere Schulden nicht geächtet werden, solange das Vertrauen in Zins und Tilgung aufrechterhalten werden kann. Die Staatsverschuldung hat inzwischen ein Besorgnis erregendes Ausmaß angenommen. Amerika ist in Höhe von ca. 135 % des BIP verschuldet, kein Ende in Sicht: Das US-Haushaltsdefizit bleibt auf einem hohen Level, wie es dies seit dem 2. Weltkrieg nicht gegeben hat. Bislang ist der US-Dollar die Weltreservewährung und noch bezweifelt niemand, dass die Dollar-Schulden auch in fernerer Zukunft bedienbar sein werden. Aber immer mehr Strategen fragen sich, wann sich diese Frage stellen wird. Auch das chronische französische Haushaltsdefizit wird kritisch beurteilt und zum Zeitpunkt des Entstehens dieses Berichts rentieren 5-jährige französische Staatsanleihen immerhin bereits um 0,15 %-Punkte höher als die Anleihen Griechenlands.
Der unmittelbare Effekt ausufernder Schulden ist: Wenn immer mehr Staatsanleihen höhere Risiken aufweisen, treibt dies die Anleger in alternative Zahlungsmittel wie Kryptowährungen oder in "sichere Häfen" wie zum Beispiel Gold. Auch Zentralbanken kaufen seit Jahren steigende Volumina an Gold, vermutlich aus gutem Grund. Dies ist eine der Erklärungen für den letztjährigen Preisanstieg von Gold um über 25 %. Angesichts sinkender Inflation und steigender Realverzinsung wäre eigentlich eine gegenteilige Entwicklung schlüssig gewesen.
Langfristig sorgt die wachsende Verschuldung ohne jeglichen Gegenwert – also den Konsum finanzierende Wahlgeschenke – für eine schleichende Kapitalaufzehrung und schwächt auf Sicht die westlichen Industrieländer. Ein schrumpfender Kapitalstock beeinträchtigt die Wachstumsmöglichkeiten und kann irgendwann auch die Fähigkeit, Geliehenes zurückzuzahlen bzw. das Vertrauen in diese Fähigkeit aufrecht zu erhalten, berühren. Ob politische Entscheider dafür ein Bewusstsein haben, wird derzeit zu wenig kommuniziert. Insofern bleibt Gold ein elementar wichtiger Bestandteil für die persönliche Anlagestrategie.
Conclusio
Ohne die geopolitischen Risiken und die Unwägbarkeiten hinsichtlich der zukünftigen Außen(handels)politik der USA lebten wir in der besten aller (Börsen)Welten: Konjunkturelles Wachstum ohne Exzesse, stabile bis fallende Zinsen und gute Aussichten auf sich verbessernde Unternehmensergebnisse. Aber eben diese Unwägbarkeiten scheinen einem naheliegenden Kulminationspunkt entgegenzustreben. Für die Handelspolitik der USA gilt das unmittelbar, denn vermutlich in der ersten Woche nach Trumps Amtsantritt werden wir schon besser beurteilen können, wie er seine Ankündigungen umsetzen will. Auch im Angriffskrieg gegen die Ukraine wird eine Entscheidung in 2025 wahrscheinlicher. Auf die Maßnahmen in außenwirtschaftlicher Hinsicht werden sich Unternehmen und Vermögensinhaber anpassen und ausrichten können. Auf Frieden bringende Lösungen für die Menschen in der Ukraine, in Russland, in Gaza, in Israel, im Libanon, in Syrien – um nur die uns mittelbar berührenden Krisenherde zu nennen – müssen wir einfach hoffen!
Bielefeld, 27. Dezember 2024
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